Text Begleitumstände - Schweinswale

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Text Begleitumstände

Schweinswale


Begleitumstände von unbeabsichtigten Beifängen von Schweinswalen (Phocoena phocoena Linnaeus 1758) in küstennahen Gewässern von Angeln und Schwansen zwischen 1987 und 2002

Einleitung:

Der unbeabsichtigte Beifang in Fischernetzen ist weltweit eine Bedrohung für Meeressäugetiere, insbes. für Delphine und Schweinswale. Besonders der Beifang in Grundstellnetzen aus Kunststofffäden bedeutet für Arten, die in Küstennähe leben eine permanente Gefahr, die unter Umständen zu einer ernsten Bedrohung der Art bzw. für den Fortbestand der Art werden kann. Dies gilt besonders für den Hafenschweinswal (Phocoena sinus) im Golf von Californien und für die westlich der neuseeländischen Nordinsel lebende Population der Hektordelphine (Cephalorynchus hectori). Auch die Schweinswale (Phocoena phocoena Linnaeus 1758) in der Ostsee sind dieser Bedrohung ausgesetzt. In Anbetracht der empfohlenen Verwendung von akustischen Vergrämungsmaßnahmen und der geplanten gesetzlichen Einführung in der EU sowie des 2002 inaugurierten Jarstiniaplans (ASCOBANS) erscheint es sinnvoll, die näheren Umstände der Beifänge in küstennahen Gewässern näher zu untersuchen und Parameter zu bestimmen, die für den Beifang von Schweinswalen von Bedeutung sind und deren Änderung zu einer Vermeidung bzw. Reduzierung des unbeabsichtigten Fangs dieser Tiere führen könnte.

Von 1987 bis 2002 wurden Beifänge von Schweinswalen in einem begrenzten Gebiet der westlichen Ostsee registriert und gesammelt. Die Tiere wurden vermessen, fotographiert und zur weiteren Untersuchung an das Institut für Haustierkunde, ab 1993/94 an das Forschungs- und Technologiezentrum Westküste der Universität Kiel weitergeleitet. Es wurde versucht, durch zeitnahe Interviews mit den beteiligten Fischern die näheren Umstände des Beifangs zu eruieren. Der Umfang der Beifänge wurde in verschiedenen früheren Veröffentlichungen dargestellt (Behnke/Krämer/Pfander 1991, Kock/Behnke 1995, Siebert/Benke 1996, Pfander/Pfander 1997). Die darüber hinaus gewonnenen Erkenntnisse wurden bisher nicht oder nur zum Teil publiziert. Diese Publikation dient dazu, die näheren Umstände des Beifangs zu klären und ggf. Empfehlungen für eine Vermeidungsstrategie zu erarbeiten.

Material und Methoden:

In der Zeit vom 01.01.1987 bis 31.12.2002 wurden in einem begrenzten Gebiet der westlichen Ostsee, zwischen Flensburger Förde und Kieler Bucht zwischen 54° 50' Nord und 54° 28' Nord sowie 9° 43' Ost und 10° 25' Ost sämtliche gemeldeten Beifänge registriert und untersucht. Die Umstände des Beifangs wurden versucht möglichst zeitnah durch Interviews mit den beteiligten Fischern zu klären. 88 Tiere wurden in 87 Beifängen getötet, einmal war eine Fischreuse und einmal ein Schleppnetz beteiligt. Die übrigen Beifänge erfolgten in Grundstellnetzen. 76 mal konnte im Nachhinein der genaue Ort und die Tiefe, auf der das Stellnetz gestellt worden war genau ermittelt werden. Der Netztyp war in 28 Fällen bekannt, die Beschaffenheit des Netzes wie verwendetes Garn und Maschenweite konnten in 25 bzw. 30 Fällen bestimmt werden. Unbeachtet der Tatsache, dass der genaue Zeitpunkt, zu dem der Schweinswal in das Netz geschwommen war und sich darin verwickelt hatte nicht bestimmt werden konnte wurde versucht, die Zeit zwischen dem Stellen und dem Hol festzulegen, dies gelang insges. 17 mal. Ebenso konnte die Länge der Stellnetzstrecke in 16 Fällen exakt bestimmt werden. Die Wetter- und Seebedingungen zum Zeitpunkt des Beifangs waren 13 mal bekannt, Angaben zur Höhe des Stellnetzes erfolgten in 13 Fällen. Angaben zum Zielfisch und dem tatsächlich erfolgten Fischfang erfolgten in 15 Fällen.

Diskussion:

In einem Zeitraum von 16 Jahren in einem begrenzten Gebiet der westlichen Ostsee erhobene Daten zu Beifängen von Schweinswalen sind sicherlich auf Grund der geringen Zahl statistisch nicht überprüfbar. Ebenso beruhen diese Erhebungen auf nachträglichen Angaben der Fischer, so dass die Objektivität der Daten aus diesem Grund nur eingeschränkt überprüft werden können. Auf der anderen Seite ist die Datenlage aber über den gesamten Zeitraum ähnlich, wenn nicht sogar identisch, so dass dadurch eine Verlässlichkeit gegeben ist. Eine wichtige Tatsache ist, dass die Beifänge bis auf eine Ausnahme ausschließlich während der Nacht erfolgten. Ebenso liegt die Zeitspanne zwischen Aufstellen der Stellnetze und dem sog. Hol deutlich über 12 Stunden, zum Teil bei 20 Stunden. Die durchschnittliche Tiefe der Stellnetze liegt zwischen 7 und 10 Meter wie bereits bei früheren Veröffentlichungen festgestellt wurde. Über 90 % der Stellnetze und Beifänge befinden sich in einem Gebiet, in dem auch die Schweinswaldichte insbes. nach dem Ergebnis der zufälligen Sichtungen am größten ist. Nicht überprüfbar und belegbar sind die Angaben der Fischer, dass Stellnetze vorwiegend über hellerem Grund bzw. Seegraswiesen gestellt werden. Bezüglich der Beschaffenheit der Stellnetze besteht ebenfalls weitgehende Übereinstimmung hinsichtlich der Höhe und Maschenweite. Es handelt sich hierbei um industriell gefertigte Netzsegmente, die im Wesentlichen von allen Fischern auf dieselbe Art verwendet werden. Überraschenderweise waren nicht nur 3 Wandstellnetze mit den gefährlichen Spiegelmaschen beteiligt, sondern vorwiegend Einwandstellnetze. Eine Klärung der Frage, in welchem Umfang 3 Wand- und 1 Wandstellnetze generell verwendet werden war nicht möglich. Interessanterweise ergaben sich auch Unterschiede hinsichtlich der Zielfischart, zwar war es in rund 2/3 der Dorsch der gefangen werden sollte, der Rest entfiel auf Plattfisch, Makrelen und Meerforelle. Eine Abhängigkeit zwischen der Menge an gefangenem Fisch und der Möglichkeit des unbeabsichtigten Beifangs ergab sich nicht. Hinsichtlich der Beschaffenheit des Garns handelt es sich entweder um monofile oder polyfile Kunststofffäden, die entweder hellorange oder grün eingefärbt sind. Ein signifikanter Unterschied ist hier nicht gegeben, beide Garnarten waren in den untersuchten Fällen in etwa gleich häufig vertreten. Bezüglich der ausgelegten Strecke fanden sich kaum Unterschiede, bis auf einen Fall betrug die Gesamtlänge konstant zwischen 400 und 600 Meter. Wie bereits früher veröffentlicht ist die Anordnung des Netzes, das immer mit der Strömung gestellt wird unter Wasser nicht immer so, dass es aus einer senkrechten, etwa 1,20 m hohen Wand über Grund besteht, häufig ist das Netz wie Unterwasseraufnahmen zeigen verdreht oder mit der Strömung gekippt. Völlig ungeklärt ist bisher die Rolle des Einflusses anderer Faktoren wie zum Beispiel die Verschmutzung oder Beladung des Netzes mit Algen, Seegras oder Quallen.

Resúme und Empfehlung:

Zur Vermeidung von Beifängen wird die akustische Vergrämung der Schweinswale durch sog. Pinger empfohlen und zum Teil auch durchgeführt. Die EU möchte die akustische Abschreckung ab 2006 bei der Verwendung von Grundstellnetzen und Treibnetzen obligatorisch machen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme steht außer Frage, jedoch mehren sich in letzter Zeit Veröffentlichung hinsichtlich der Gewöhnung bzw. sogar Anlockung durch derartige Schallquellen unter Wasser befürchten. Zusätzlich bedeutet die Verwendung von Pingern eine zusätzliche Belastung eines sowieso akustisch stark belasteten oder überlasteten Lebensraums unter Wasser. Es sollte daher geprüft werden durch ein Observerprogramm in einer Region, in der Beifänge häufig vorkommen, ob durch Veränderungen der hier angegebenen Parameter nicht eine Reduzierung der Beifangrate zu erreichen ist. Eine Möglichkeit sehen wir in einer zeitlichen Begrenzung der zwischen dem Aussetzen und dem Hol der Netze.

Da bis auf eine Ausnahme alle Beifänge sich während der Nachtzeit ereignet haben, sollte überprüft werden, ob eine Verlagerung der Zeiten eine Änderung bewirkt. Weiterhin sind Modifikationen der Netze anzustreben, zum Beispiel durch Beifügen von Bariumsulfat od. ähnlichem in die verwendeten Netzgarne, um diese für Schweinswale besser erkennbar zu machen. In besonderen Regionen, in denen von einer hohen Dichte von Schweinswalen auszugehen ist, sollte eine zeitlich und örtlich begrenzte, fischereifreie Zone insbes. während mondheller Nächte eingerichtet werden. Dass eine zeitliche Begrenzung durchaus zu einem messbaren Effekt führen kann, zeigen die Erfahrungen aus dem Jahr 1995. Während der Fangsaison wurden nur 2 Beifänge und 2 Strandfunde registriert. Ursache hierfür war eine massenhafte Vermehrung von Krabben, die die Stellnetze "enterten, plünderten", so dass die Fischer gezwungen waren, um ihren Fang zu retten, die Stellnetze schon nach 4 Std. wieder einzuholen.

Eine weitere Möglichkeit stellt die Änderung der angewandten Fischereimethoden dar, hin zu Fischreusen und Bundgarnen, insbes. letztere erlauben nach den eigenen gesammelten Erfahrungen aber auch die anderer Autoren (Read 1996) meistens die Freilassung der gefangenen Schweinswale ohne wesentliche Verletzungen oder Beeinträchtigungen. Ein völliges Verbot der Stellnetzfischerei, das sicherlich die besten Erfolgsaussichten für die Vermeidung der Beifänge bedeuten würde, ist sicherlich realistischerweise weder politisch noch administrativ durchsetzbar.

Literaturverzeichnis: beim Autor


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